Mittwoch, 22. August 2012

Schallenberg

Fast ein monat ists her, dass ich hier meine Gedanken verfasst habe... Sorry liebe Leser, ich war hochbeschäftigt! (Okay, Lüge, ich hatte diese und letzte Woche Ferien...) Zum Schluss meiner letzten Flugphase gings aber doch recht rund und die Tage waren lang. Doch alles der Reihe nach!

Nachdem ich bei ihr versucht habe die Kontrollzone Zürich korrekt zu durchfliegen (ich schreibe bewusst "versucht" - ich fand's relativ kompliziert die verschiedenen Kontrollpunkte und -wege in besagter Zone zu finden) konnte ich beim Rückflug auf dem Rücksitz meines Kollegen den Takeoff des A380 in aus nächster Nähe bzw. Höhe betrachten! Für mich ein cooles Erlebnis, ich mag den "Möbelwagen" irgendwie, auch wenn er ästhetisch nicht gerade ein Meisterwerk darstellt, finde ich es immer wieder beeindruckend, dass das Monster überhaupt fliegt!


Bald darauf folgten für mich weitere Landetrainings und die ersten Navigationsflüge. Wieviel Planung für einen solchen notwendig ist, wurde mir erst bewusst, als ich meine ersten Planen musste... Viel muss beachtet werden. Angefangen bei der Flugroute, bei der es gilt, keine Lufträume zu verletzen, auf einer Höhe zu fliegen, die den Flieger über Berge bringt (und in anderen Gebieten je nach Fluglehrer möglichst hoch oder möglichst tief...). Gleichzeitig soll sie meist so direkt wie möglich von A nach B führen. Dann muss ein Operational Flight Plan ausgefüllt werden, bei dem die jeweiligen Checkpunkte (meist Dörfer, Städte, Bergen oder Seen) mit Kompassrichtungen und Anflugzeit angegeben werden sollen. Danach müssen Sichtanflugkarten von den jeweiligen Flugplätzen studiert werden, denn jeder hat wieder andere Platzrunden, Checkpunkte, Flugplatzhöhen, Platzrundenhöhen, Gleitwege, Verfahren etc. ... Wenn man alles, aber auch wirklich alles beachten wollte brauchte man (gerade als Anfänger) Stunden, um einen solchen Flug zu planen. Für uns sah es meistens so aus, dass wir etwa 2-3h pro Flug für die Planung aufwandten.

Ein standardmässiger Tag in unserer Nav-Flug-Phase sah also etwa so aus:
07:30 - 18:30 Fliegen/Präsenz in Grenchen
Kurz was essen
19:30 - 22:00 Planen
Schlafen.

Ein anstrengendes Programm! Trotzdem war es schön zu sehen, dass der Flug meist gut verläuft, wenn die Planung davor ausführlich war.

Bald rückte der Abschlussflug näher, die Route wurde bekanntgegeben:

Grenchen - Schallenberg (mit TMA-Bern-Crossing) - Rossens - Concise - Touch and Go in Neuchâtel - Biel - Grenchen

Gespannt suchte ich die Checkpunkte auf der Karte und hoffte, dass sie einfach zu identifizieren seien... Rossens liegt am Greyerzersee. Concise hat einen Hafen. Neuchâtel kenne ich schon. Biel ist altbekannt. Aber... aber... where the Hell is Schallenberg?! Beim Abendessen frage ich meine Freundin, ob sie denn diesen Schallenberg kenne, auf der ICAO-Karte sei der zwar drauf, aber als kleiner Pass irgendwo im Nirgendwo (BE). Ungläubig werde ich angeschaut, dass ich denn den Schallenberg als Motorradfahrer nicht kenne?! Den kenne doch jeder Berner! Das sei doch DER Pass für Biker! Gut, Google Maps muss her. Aha, Schallenberg ist definitiv ein Pass, mit ca. 10 Häusern, 3 Misthäufen und 37 Kühen... bringt mir leider nix! Nach ausgiebigem Einprägen der Landschaft und der einigermassen markanten Passstrasse lege ich mich endlich Schlafen und hoffe auf das Beste.

Am Tag drauf steige ich gegen Mittag in den Flieger, mit mir als Prüfer unser Cheffluglehrer. Ich bin erleichtert, er ist mir sympathisch und scheint fair. Kann ich gut brauchen, nach einer Notenmässig etwas durchzogenen Flugphase! Ich fliege also in Grenchen los und melde mich sogleich bei Bern Approach und erbitte Clearance für den Druchflug durch die TMA, die bei 5500ft beginnt.

"Bern Approach, XX-XXX, Bätterkinden 3000ft, request to cross your TMA direct Schallenberg (kennt ja jeder Berner, oder?), climbing to 6000ft"
"Bern Approach, Station calling: Stand-by."

Okay, warten soll ich. Mache ich. Ich steige weiter, allgemein Richtung Schallenberg...
4000ft. 4500ft. Ruhe am Funk. 5000ft. Langsam werde ich nervös, erbitte nochmal Clearance...
bei 5300ft bekomme ich diese endlich, bin happy, steige weiter auf meine 6000ft.

Plötzlich aus der Ruhe des Funkes: "X-XX, Bern Approach?"
Was der wohl will? "Bern Approach, go ahead?"
"Säget mau, gits hüt im Schallebärg öppis gratis?"

Gelächter im Cockpit!
"Negativ, d Swiss Aviation Training het Prüefigsflüg!"
"Ahaaaa, mir hei scho dänkt, ds hei mer no nie gha, s wott doch kein Schwein jemaus Richtig Schallebärg!"

Ich schmunzle, die Atmosphäre im Cockpit ist angenehm.
Plötzlich, kaum 10s später zieht mein Prüfer den Schubhebel ganz nach hinten und ruft "Engine Failure!" Hui, simulierter Motorenschaden... also schnell Meldung quittieren, Best-Glide-Speed einnehmen, Notlandefeld suchen... Prüfer zufrieden, ich darf meinen Schub wieder haben.

Es ist sehr windstill, kaum Turbulenzen, ich finde meine Checkpoints problemlos... Yes, so macht das Spass! Nach weiteren 40min bin ich wieder in Grenchen, werde debrieft und für meine Leistung gelobt. Cool, alles hat geklappt!

Am selben Abend und am Tag darauf folgen für mich noch zwei Navigationsflüge, allerdings alleine, solo. Es macht schon unglaublichen Spass, auch einmal alleine über der Schweiz unterwegs zu sein und das Gefühl zu haben, man verstehe langsam, wie man fliegt, und wie man korrekt fliegt. Irgendwo über Sempach denke ich zurück an meine ersten geh(ähm, flug-)versuche, nicht Mal 7 Wochen zuvor. Ich fliege zurück nach Grenchen und setze sanft auf. Hey, sogar das Landen klappt endlich.

Ich fand die Grenchen-Phase etwas vom anstrengendsten, was ich bisher in meinem Leben gemacht habe. Gleichzeitig war es auch extrem lehrreich und auch zeitenweise echt spassig. Trotzdem war ich froh, jetzt einige Zeit ausspannen zu können um die Eindrücke zu verarbeiten. Am Montag fängt für unsere Gruppe die vierwöchige Homestudy-Phase an, in der wir selbstständig Bücher wälzen sollen. Ich freue mich darauf, auch mal wieder etwas Theoretisches zu machen!